September 30, 2015

Tsuwano

Dienstag morgens ging es mit dem Zug nach Tsuwano. Hier hatte ich mich für die Hinfahrt für den „limited Express Super Oki“ der lokalen JR Line entschieden, vor allem, weil der zeitlich vernünftig erschien, mit einem langsameren Zug, der dann auch noch deutlich später los gefahren wäre, wäre ich erst gegen Mittag an meinem Ziel eingetroffen. Für diese beschleunigten Züge muss man, genauso wie für den Shinkansen auch, einen entsprechenden Zuschlag bezahlen, was den Preis der Fahrkarte gleich nahezu verdoppelte. Aber immerhin war ich so innerhalb von knapp sechzig Minuten statt zwei Stunden und bereits um 10 Uhr am Ziel. Die Strecke führte teilweise eingleisig bergauf, bis man schließlich in dem von Bergketten und Hügeln umgebenen Ort ankam.




Glücklicherweise hatte ich mich auch entschlossen, nicht zu kurzfristig zum Bahnhof zu gehen, so dass ich auch noch einen Sitzplatz erwischte. Als ich auf dem Gleis ankam, stand der Zug schon da und öffnete gerade seine Türen, eine lange Schlange strömte in den hinteren Wagen, so dass gleich klar war, welcher der Teil mit den nicht reservierten Sitzen sein mußte. So war es dann auch. Der Zug hatte tatsächlich nur zwei Wagons und der nicht reservierte war gleich voll. An Wochenenden und Feiertagen gibt es auch eine alte Dampflokomotive, die auf nostalgische Art von Yamaguchi nach Tsuwano tuckert, hier muss man aber scheinbar schon Monate im Voraus Tickets buchen. Jaja, was für Hotels an Feiertagen gilt, gilt eben auch für die öffentlichen Verkehrsmittel.
Tsuwano selbst ist ein wirklich kleines Örtchen, sehr übersichtlich und es gibt dort scheinbar fast mehr Karpfen als Einwohner. Die Karpfen schwimmen in kleinen Kanälen, die den auch hier vorhandenen Rest des Samuraiviertels zieren und sind der Hit bei den Kindern, die sie fleißig füttern. So sehen die Karpfen dann auch aus, ich habe noch nie solch riesige Kois gesehen, von denen der ein oder andere sicher auch schon ein hohes Alter hatte (wie das Monster, das ich ein paar Tage später in Hiroshima sichten würde und das laut dem mich herumführenden Guide, denen man teilweise in den Gartenanlagen nicht entkommen kann, bereits mehr als 30 Jahre alt war). Diese Karpfen fand ich schon fast „furchteinflössend“, zumindestens irgendwie unappetitlich, die reinsten Fressmaschinen, ein Sättigungsgefühl kennen die glaube ich gar nicht. Sobald man stehen bleibt und sie den Schatten auf dem Wasser wahrnehmen, kommen sie angeschwommen und sperren ihre Mäuler auf. Futter gab es überall für 50 Yen in Tütchen zu kaufen, so dass sich die Fische nicht über einen Mangel an Nahrung beschweren können. Manchen Kindern fraßen sie sogar aus der Hand. Was das wohl für ein Gefühl ist, so ein weiches Karpfenmaul? Mein Drang, das auszuprobieren, hielt sich allerdings tatsächlich in Grenzen. 











Der Hauptgrund meines Ausflugs nach Tsuwano waren denn auch nicht die Karpfen, die ich übrigens auch im richtigen Fluss sichten konnte, nicht nur in den kleinen Kanälen, sondern ein großer Inari Schrein, einer der wichtigsten Japans. Und ehrlich gesagt, noch nicht einmal der Schrein selbst war es, der mich angezogen hatte, sondern der Weg dahin, der durch hunderte rote Torii einige Stufen den Berg hinauf führte. 


Schon bei der Anfahrt morgens konnte man die Torii ausmachen und auch auf der anderen Seite des Tals,  in dem dem Schrein gegenüber liegenden Waldgebiet, stand ein großes rotes Torii, wohl um anzuzeigen, dass ein wichtiger Schrein in der Nähe ist. Ein Zugang ist das in dem Fall jedenfalls nicht. 



Dort ging es also zunächst einmal den Berg hinauf. Am Schrein war reichlich Betrieb, wie eigentlich auch überhaupt im Ortskern, einige Busse mit japanischen Touristen waren ebenfalls unterwegs und viele Leute, die mit ihren Hunden den Hügel erklommen. Nachdem ich mich oben umgesehen hatte, habe ich beim Hinunterlaufen ein kleines Filmchen gedreht. Das dauert im Original etwa fünf Minuten, wobei ich auch nicht wahnsinnig schnell unterwegs war, aber bei flickr wird leider immer alles auf drei Minuten gekürzt. Aber immerhin. Diese Torii sind schon fotogen. Da bin ich nun umso mehr gespannt, wie sich der Pfad in Kyoto, der zum Fushimi Inari Taisha führt, unterscheiden wird.







Unten im Ort gab es einige große Sakeverkaufsstellen, was diese allerdings mit dem Berliner Ampelmännchen zu tun haben, hat sich mir bisher nicht erschlossen, aber dieses zierte diverse Etiketten und eine Ampel stand auch vor dem Laden. 2012 scheint es auch eine Ampelmann Stempel Challenge gegeben zu haben, was auch immer es damit auf sich hatte. Stempel sind ja allgemein hier auch sehr beliebt. An vielen Orten, in Tempeln, Schreinen und Burgen kann man sich das jeweils zugehörige Symbol „abholen“, irgendwo steht immer ein Tisch mit Stempelkissen und Stempeln. An anderer Stelle im Ort stand ein Schild mit „Unter den Linden“. Es gab viele Läden, die eine für Tsuwano bekannte Süßigkeit herstellen, genji maki, eine Art Pfannkuchen, in den – natürlich – Anko, die rote Bohnenpaste gewickelt wird. Ich kam an einer Apotheke vorbei, die mit großen ausgestopften Schildkröten und mit alter Ladeneinrichtung, relativ dunkel, eher nach TCM aussah. Und an vielen Kranichen, als Figuren und auf Plakaten und Noren.






Ein Papierwarenladen, in dem man sein eigenes Papier herstellen konnte, durfte auch nicht fehlen. Aus Papiermaische, die auf eine Art feines Sieb aufgebracht oder dann mit Vakuum trockengezogen wurde (in Tokyo gibt es glaube ich auch ein Papiermuseum, da müßte ich eigentlich auf jeden Fall auch noch schauen, was es damit auf sich hat und ob es eventuell einen Besuch wert sein könnte). Und eine kleine katholische Kirche, in der ein paar christlichen japanischen Märtyrern gedacht wird, ohne Sitzbänke, aber dafür mit Tatami. Also auch hier hieß es wieder „Schuhe aus“. 



Gegend Abend wurde es im Ort schlagartig leerer, die meisten fuhren mit den Reisebussen oder dem Zug um kurz vor 18 Uhr wieder ab. Ich hatte mich entschlossen, den späteren Bummelzug zu nehmen, um mir noch den im Dunklen beleuchteten Torii Pfad anzuschauen. Das war dann zwar doch nicht so spektakulär, wie ich mir das ausgemalt hatte, dazu sind die Energiesparbirnen in den Lampen dann doch zu funzelig, aber immerhin. Wann komme ich schon nochmal nach Tsuwano. So stand ich dann ziemlich einsam und verlassen (bis auf eine Frau mit Tochter) in Tsuwano am Bahnhof, um den Zug um 19.35 Uhr zurück nach Yamaguchi zu nehmen und hatte noch Gelegenheit, ein paar der für mich lesbaren Kommentarzettelchen von begeisterten Besuchern zu lesen, die man dort hinterlassen kann. Auch eine nette Idee.





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