Dienstag morgens ging es
mit dem Zug nach Tsuwano. Hier hatte ich mich für die Hinfahrt für den „limited
Express Super Oki“ der lokalen JR Line entschieden, vor allem, weil der
zeitlich vernünftig erschien, mit einem langsameren Zug, der dann auch noch
deutlich später los gefahren wäre, wäre ich erst gegen Mittag an meinem Ziel
eingetroffen. Für diese beschleunigten Züge muss man, genauso wie für den
Shinkansen auch, einen entsprechenden Zuschlag bezahlen, was den Preis der
Fahrkarte gleich nahezu verdoppelte. Aber immerhin war ich so innerhalb von knapp
sechzig Minuten statt zwei Stunden und bereits um 10 Uhr am Ziel. Die Strecke führte teilweise eingleisig bergauf, bis man schließlich in dem von Bergketten und Hügeln umgebenen Ort ankam.
Glücklicherweise hatte ich mich auch entschlossen, nicht zu kurzfristig zum
Bahnhof zu gehen, so dass ich auch noch einen Sitzplatz erwischte. Als ich auf
dem Gleis ankam, stand der Zug schon da und öffnete gerade seine Türen, eine
lange Schlange strömte in den hinteren Wagen, so dass gleich klar war, welcher
der Teil mit den nicht reservierten Sitzen sein mußte. So war es dann auch. Der
Zug hatte tatsächlich nur zwei Wagons und der nicht reservierte war gleich
voll. An Wochenenden und Feiertagen gibt es auch eine alte Dampflokomotive, die
auf nostalgische Art von Yamaguchi nach Tsuwano tuckert, hier muss man aber
scheinbar schon Monate im Voraus Tickets buchen. Jaja, was für Hotels an
Feiertagen gilt, gilt eben auch für die öffentlichen Verkehrsmittel.
Tsuwano
selbst ist ein wirklich kleines Örtchen, sehr übersichtlich und es gibt dort
scheinbar fast mehr Karpfen als Einwohner. Die Karpfen schwimmen in kleinen Kanälen, die den auch hier
vorhandenen Rest des Samuraiviertels zieren und sind der Hit bei den Kindern,
die sie fleißig füttern. So sehen die Karpfen dann auch aus, ich habe noch nie
solch riesige Kois gesehen, von denen der ein oder andere sicher auch schon ein
hohes Alter hatte (wie das Monster, das ich ein paar Tage später in Hiroshima
sichten würde und das laut dem mich herumführenden Guide, denen man teilweise
in den Gartenanlagen nicht entkommen kann, bereits mehr als 30 Jahre alt war).
Diese Karpfen fand ich schon fast „furchteinflössend“, zumindestens irgendwie
unappetitlich, die reinsten Fressmaschinen, ein Sättigungsgefühl kennen die
glaube ich gar nicht. Sobald man stehen bleibt und sie den Schatten auf dem
Wasser wahrnehmen, kommen sie angeschwommen und sperren ihre Mäuler auf. Futter
gab es überall für 50 Yen in Tütchen zu kaufen, so dass sich die Fische nicht
über einen Mangel an Nahrung beschweren können. Manchen Kindern fraßen sie
sogar aus der Hand. Was das wohl für ein Gefühl ist, so ein weiches
Karpfenmaul? Mein Drang, das auszuprobieren, hielt sich allerdings tatsächlich
in Grenzen.
Der Hauptgrund meines Ausflugs nach Tsuwano waren denn auch nicht
die Karpfen, die ich übrigens auch im richtigen Fluss sichten konnte, nicht nur
in den kleinen Kanälen, sondern ein großer Inari Schrein, einer der wichtigsten
Japans. Und ehrlich gesagt, noch nicht einmal der Schrein selbst war es, der
mich angezogen hatte, sondern der Weg dahin, der durch hunderte rote Torii
einige Stufen den Berg hinauf führte.
Schon bei der Anfahrt morgens konnte man
die Torii ausmachen und auch auf der anderen Seite des Tals, in dem dem Schrein gegenüber liegenden
Waldgebiet, stand ein großes rotes Torii, wohl um anzuzeigen, dass ein
wichtiger Schrein in der Nähe ist. Ein Zugang ist das in dem Fall jedenfalls
nicht.
Dort ging es also zunächst einmal den Berg hinauf. Am Schrein war
reichlich Betrieb, wie eigentlich auch überhaupt im Ortskern, einige Busse mit
japanischen Touristen waren ebenfalls unterwegs und viele Leute, die mit ihren
Hunden den Hügel erklommen. Nachdem ich mich oben umgesehen hatte, habe ich
beim Hinunterlaufen ein kleines Filmchen gedreht. Das dauert im Original etwa
fünf Minuten, wobei ich auch nicht wahnsinnig schnell unterwegs war, aber bei
flickr wird leider immer alles auf drei Minuten gekürzt.
Aber immerhin. Diese Torii sind schon fotogen. Da bin ich nun umso mehr
gespannt, wie sich der Pfad in Kyoto, der zum Fushimi Inari Taisha führt,
unterscheiden wird.
Unten im Ort gab es einige große Sakeverkaufsstellen, was
diese allerdings mit dem Berliner Ampelmännchen zu tun haben, hat sich mir
bisher nicht erschlossen, aber dieses zierte diverse Etiketten und eine Ampel
stand auch vor dem Laden. 2012 scheint es auch eine Ampelmann Stempel Challenge
gegeben zu haben, was auch immer es damit auf sich hatte. Stempel sind ja
allgemein hier auch sehr beliebt. An vielen Orten, in Tempeln, Schreinen und
Burgen kann man sich das jeweils zugehörige Symbol „abholen“, irgendwo steht
immer ein Tisch mit Stempelkissen und Stempeln. An anderer Stelle im Ort stand ein
Schild mit „Unter den Linden“. Es gab viele Läden, die eine für Tsuwano
bekannte Süßigkeit herstellen, genji maki, eine Art Pfannkuchen, in den –
natürlich – Anko, die rote Bohnenpaste gewickelt wird. Ich kam an einer Apotheke vorbei, die mit großen ausgestopften Schildkröten und mit alter Ladeneinrichtung, relativ dunkel, eher nach TCM aussah. Und an vielen Kranichen, als Figuren und auf Plakaten und Noren.
Ein Papierwarenladen, in
dem man sein eigenes Papier herstellen konnte, durfte auch nicht fehlen. Aus
Papiermaische, die auf eine Art feines Sieb aufgebracht oder dann mit Vakuum
trockengezogen wurde (in Tokyo gibt es glaube ich auch ein Papiermuseum, da
müßte ich eigentlich auf jeden Fall auch noch schauen, was es damit auf sich
hat und ob es eventuell einen Besuch wert sein könnte). Und eine kleine
katholische Kirche, in der ein paar christlichen japanischen Märtyrern gedacht
wird, ohne Sitzbänke, aber dafür mit Tatami. Also auch hier hieß es wieder
„Schuhe aus“.
Gegend Abend wurde es im Ort schlagartig leerer, die meisten
fuhren mit den Reisebussen oder dem Zug um kurz vor 18 Uhr wieder ab. Ich hatte
mich entschlossen, den späteren Bummelzug zu nehmen, um mir noch den im Dunklen
beleuchteten Torii Pfad anzuschauen. Das war dann zwar doch nicht so
spektakulär, wie ich mir das ausgemalt hatte, dazu sind die Energiesparbirnen
in den Lampen dann doch zu funzelig, aber immerhin. Wann komme ich schon
nochmal nach Tsuwano. So stand ich dann ziemlich einsam und verlassen (bis auf
eine Frau mit Tochter) in Tsuwano am Bahnhof, um den Zug um 19.35 Uhr zurück
nach Yamaguchi zu nehmen und hatte noch Gelegenheit, ein paar der für mich
lesbaren Kommentarzettelchen von begeisterten Besuchern zu lesen, die man dort
hinterlassen kann. Auch eine nette Idee.
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