Montagmorgen um 8.30 Uhr bin ich dann
gleich mit dem Bus nach Hagi aufgebrochen. Der benötigt von Shin-Yamaguchi ca
eineinhalb Stunden für eine Strecke von knapp 50 km. Aber das ist ja egal, das
Motto lautet relaxtes Reisen und man kann schön aus dem Fenster schauen und die
Landschaft betrachten.
Vorbei ging es an Reisfeldern, durch kleinere Orte, an
teilweise riesigen Anwesen mit zum Lüften offenstehenden Räumen, in denen man
Tatami und darauf Futons liegen sah. In Hagi folgte ich der Empfehlung diverser
Reiseführer und stieg nicht am Busbahnhof aus, sondern fuhr weiter nach Hatashi
(Ost) Hagi, um bei der dortigen Touristeninformation mir eben solche abzuholen.
Mit einem lustigen Kauderwelsch aus japanisch und englisch und Händen und Füßen
funktionierte das eigentlich ganz gut und ausgestattet mit einem japanischen
und englischen Busnetzplan für die beiden Linien, die die beiden Seiten des
Ortes miteinander verbinden, sowie einem Tagesticket zog ich von dannen, um in
den ersten Bus einzusteigen, den ich am Toko-ji Tempel wieder verlassen wollte.
Aber
den Ausstieg verpasste ich dann gleich mal, weil ich nicht mitgezählt hatte,
die Durchsagen nicht verstand und der Bus mit japanischen Tagestouristen so gut
gefüllt war, dass ich auch nichts sehen konnte. Egal, dann also erstmal weiter
in den Westteil des Ortes und hinein ins Eldorado der Keramikfreunde. Im alten
Samuraiviertel – an den langen, weißen Mauern sollst Du sie erkennen, das ist
mir inzwischen klar, teilweise auch wie am nächsten Tag in Tsuwano mit kleinen
Kanälen davor – lag ein Keramikladen neben dem nächsten.
Und die hatten aber auch
schöne Sachen. Die Farben der Glasuren, für mich ein Traum. Vor allem zarte,
helle Farbtöne, rosa, grau, blasses blau und violett, hin und wieder auch ein
Hauch von türkis, Craqueléeglasuren, durch die im Lauf der Zeit der Tee in die
Keramik eindringen soll, ineinander fließende Farben. Interessante Glasuren mit
großen Spalten oder Löchern, wozu das gut sein soll, nur aus optischen oder
auch aus anderen Gründen, weiß ich nicht, oft eine gewollte „Macke“ im Fuß
(daran erkennt man Hagi-yaki wohl). Yaki steht in dem Fall, wie beim Essen in
Form von Okonomiyaki, Takoyaki und yakitori für gebraten oder gegrillt im
Zusammenhang mit dem Ortsnamen in dem Fall auch für „gebrannt“e Keramik von
eben dort. Das kann ich mir ja wenigstens einmal merken. Entsprechend gibt es
auch x-yaki aus anderen Orten für die dort hergestellt Keramik.
Wer mehr dieser
Waren sehen möchte, kann das hier (leider häufig mit den Eindruck etwas
störenden Preiskleberchen, was mich aber nicht davon abgehalten hat, voller Begeisterung und willenlos immer wieder neue Fotos zu machen). Abgesehen von den Keramikläden gab es auch einige
alte Anwesen zu besichtigen, ich habe mich dann in Anbetracht der Zeit
allerdings auf nur zwei beschränkt, denn ich wollte ja auch noch weiter an den
Strand, einen Blick auf das japanische Meer tun und dann wieder zurück zur
Tempelanlage. Also ging ich zunächst in eins der größten Anwesen, die Kikuya
Residenz. Von der Strasse von vorne nimmt man garnicht richtig war, wie groß
diese Häuser wirklich sind bzw wie verbaut die Gebäudekomplexe hinter den
Mauern liegen, auch wenn die Mauern offensichtlich große Grundstücke
umschließen, aber die Häuser sind halt nicht in die Höhe, sondern in die Tiefe
gebaut. Wohl aus ähnlichen Gründen wie in Deutschland, ich sage nur
Fenstersteuer. Das prächtige Exemplar in Hagi hatte auch einen schönen Garten,
mit Zugang von einem großen mit Tatami ausgelegten Raum und zwei komplett zu
öffnenden Wänden. Das Samuraileben war im Gegensatz zum niedrigen Fußvolk
wenigstens im Hinblick auf diese Lebensgegebenheiten nicht zu verachten. Und das erste Mal auf Socken über die
Tatami zu laufen, war ein schönes Gefühl, viel weicher und gepolsterter, als
ich angenommen hatte.
Von dort zum Nachbarn schräg gegenüber und dann noch ein
wenig weiter durchs Viertel hin zum Gelände der ehemaligen Festung, um zum Meer
zu kommen.
Und so stand ich am Strand. Ein paar Leute, vor allem Kinder,
plantschten im Wasser, das auch nicht kalt schien, als ich mal Hand und Fuß
hinein gehalten habe. In der Nähe des Strandes wartete ich dann wieder auf den
Rundbus, der mich zum Tempel bringen sollte. Diese fahren ca 2x in der Stunde
und waren aufgrund des feiertäglichen Besucheransturms ein wenig aus dem Takt
geraten, so dass ich gerade noch rechtzeitig vor Schließung ab 17 Uhr um etwa
16.40 Uhr am Tempel ankam. Die Busfahrt führte an den Häusern des kleinen
Flußdeltas vorbei und ich habe mich ein wenig geärgert, dass ich dort nicht, statt
eine dreiviertel Stunde auf den Bus zu warten, entlang gelaufen bin, denn es
schien wirklich sehr hübsch zu sein, aber mir taten eh schon die Füße weh und
ich konnte das ganze ja wenigstens aus dem Bus sehen, habe nun halt nur keine
Fotos, ist aber auch nicht wirklich ein Beinbruch. Im Endeffekt war ich zufrieden mit der zeitlichen Abfolge
des Tages, denn das Licht im Tempelgelände war nachmittags schön mild, einer der riesigen Bäume, der verdreht und aufgespalten im Gelände stand, verströmte einen unglaublichen Duft nach ätherischen Ölen, fast wie Eukalyptus, kaum
noch Leute unterwegs und gerade auf dem Friedhof, dessentwegen ich
hauptsächlich das Gelände hatte sehen wollen (die Grabstellen der Mori
Feudalherren bzw eines Teils davon, umgeben von etwa 500 Steinlaternen, wie das
wohl ausgesehen hat, wenn diese erleuchtet waren), herrschte eine wirklich
eigenartige Stimmung.
Iris also erneut hinein ins Moskitovergnügen, wieder mal
nicht mit Antimückenmittel präpariert, das war mir eine Lehre für die kommenden
Tage. Nach knapp zwanzig Minuten um fünfzehn geschwollene Flatschen reicher,
vor allem an Armen und Fußknöcheln, aber auch um ein paar Fotos, wartete ich
auf den nächsten Bus, um von Busbahnhof im Zentrum gegen 18 Uhr wieder zurück
nach Shin-Yamaguchi zu fahren.
Interessanterweise hatte ich in der Gegend
weiter im Westen Japans im Vergleich zu Tokio den Eindruck, dass es deutlich
später dunkel wurde, erst so gegen 19 Uhr. Aber nichts desto trotz reichte es
mir dann auch für den Tag, ich war nicht mehr zu weiteren Erkundungen aufgelegt
und am anderen Morgen wartete ja schon die nächste Tour auf mich. Im Bus zurück
traf ich auch den ein oder anderen wieder, der bereits am Morgen im gleichen
Bus mit nach Hagi gefahren war und auch am folgenden Tag im Zug nach Tsuwano
waren bekannte Gesichter zu sehen. Aber alles Japaner. Das war mir bereits
tagsüber in Hagi aufgefallen und das sollte sich auch in Tsuwano bestätigen,
ich habe keine einzigen europäischen, amerikanischen oder andere
nichtasiatische Touristen gesehen, ich war weit und breit die einzige. Dafür
waren tatsächlich viele Japaner mit Reiseführer in der Hand zur Erkundung neuer
Gegenden in ihrem eigenen Land unterwegs. Und ich bin überall, auch an den
kommenden Tagen, von Japanern angesprochen worden. Am augenfälligsten wohl,
weil ich alleine unterwegs war, das war jedenfalls immer die den Dialog
eröffnende Frage, egal, ob es eine ältere Dame, ein jüngeres Pärchen oder ein
junger Mann war und die Neugierde, warum ich denn als offensichtliche Touristin
ausgerechnet hier sei und nicht irgendwo anders. So war es ganz schön,
zwischendurch auch mal ein paar Sätze mit anderen Menschen wechseln zu können.
Meine eindeutig wichtigsten japanischen Sätze in diesen Tagen waren jedenfalls
„ich verstehe kein japanisch“ und „sprechen sie englisch“, was lustigerweise
aber trotzdem niemanden abhielt, den japanischen Redefluss abzubrechen, so wie
schon bei den Herren im Gelände es Maneki Neko Tempels in Gotoku-ji
beschrieben. Freundlich sind sie jedenfalls alle, und im Westen scheinbar
besonders, das hatten mir auch schon meine Kollegen gesagt, wohingegen die
Tokyoter oder Ostjapaner eher als nicht so zugänglich, eher schweigsamer,
hauptsächlich arbeitsorientiert und ein wenig verbissen beschrieben werden.
Schön, dass es auch hier wie bei uns unterschiedliche Mentalitäten zu geben
scheint. Ein wenig ist in der Regel ja schon dran an den Klischees.
Und ein schöner Tag in Hagi war damit zuende.
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