März 06, 2016

Ikebana für jedermann

Im Moment bin ich hier auf dem Blog nicht so rege, bin aber auch, seit ich aus Japan zurück bin, ein wenig fotographiemüde geworden. Oder besser gesagt, eingeschränkt, was meine Zeit für kreative Tätigkeiten betrifft. Das ein oder andere Bild mache ich natürlich schon, aber ich bin zu antriebslos, nach den Arbeitsstunden am Rechner auch noch privat weiter zu schreiben. So bin ich auch daran gescheitert, hier über die Weihnachtskarten, die Weihnachtsdeko und was sonst noch so erwähnenswert gewesen wäre, zu schreiben. Das wird sich aber hoffentlich in ein paar Monaten wieder ändern. Einstweilen noch ein Post aus der "Japanrestekiste".


Wie bereits in dem Beitrag über die Ikebana Ausstellung erwähnt, war ich durch eben jene auf die Idee gekommen, die japanische Kunst des Blumensteckens auch selbst einmal unter Anleitung probieren zu wollen. Leider hat die Zeit nur für einen Schnupperkurs gereicht - immerhin - denn in der Ohara School gibt es zwar englischsprachige Klassen, die fanden aber immer Donnerstagvormittags statt. Und jeden Donnerstag nur einen halben Tag zu arbeiten, war nicht drin. Aber einmal habe ich mir frei genommen und zusammen mit anderen Ausländern (und ja auch hier waren übrigens wieder Männer dabei) eine Stunde besucht. Es befanden sich dann nicht nur die Schnupperer, sondern auch diejenigen, die regulär an der englischen Stunde teilnehmen im Klassenraum, also schon mehr Erfahrung hatten.
In knapp eineinhalb Stunden sollten wir mit den für uns bereitgestellten Pflanzen (drei sprießende Hortensien- und zwei Bouvardiazweige), dem Werkzeug und einer kleinen Anleitung einfache Grundformen des hana-isho ("rising" und "inclining") stecken.






Dabei galt es, einige Regeln zu beachten, Subjekt (shu) und Objekt (kyaku) waren zu definieren, die "Füller" und der "Raum" verdienen ebenfalls Aufmerksamkeit. Alles sollte in einer geraden Reihe in den kenzan gesteckt und bestimmte Winkel nicht überschritten werden. Obwohl alles auf einer Linie gesteckt wird, sollen sich die Stengel nicht alle genau hintereinander befinden und sich nicht gegenseitig verdecken, wenn der Betrachter frontal auf das Gesteck blickt. Asymmetrie soll beachtet werden. Bei der inclining form soll die Linie von vorne erkennbar sein, in der Aufsicht allerdings nicht, in dieser soll das Arrangement den Raum ausnützen und keine "Löcher" vorhanden sein. So habe ich es jedenfalls verstanden. Die Länge des Subjekts muss dem Gefäß angepasst werden, es soll nicht höher sein, als die zweifache Länge/Breite/Höhe inklusive Tiefe des Gefäßes, das Objekt soll ein Drittel der Länge des Subjekts widerspiegeln. Das Subjekt darf sich im Radius von 20°C aus der Mittellinie heraus bewegen, das Objekt soll im Vergleich zu Subjektmittellinie um 45° gekippt sein, die Füller sollen nicht mehr als um die halbe Länge des Subjekts herausstehen. Da kommt man als blutiger Anfänger schon ins Schwitzen und benötigt schematische Zeichnungen.
Was ich interessant fand, war abgesehen davon, dass jeder der Schnupperschüler die gleichen Zutaten hatte und das Resultat natürlich bei jedem trotz der vielen Regeln völlig unterschiedlich aussah, dass man gezwungen ist, jede Blume und jeden Zweig genau zu betrachten, ist das Stück gerade oder in sich gebogen, welche Seite ist die schönste, welche soll zur Schau gestellt werden. Größenverhältnisse müssen angepasst werden (der Zuschnitt hat mit der Schnittstelle unter Wasser zu erfolgen, damit die Leitgefäße keine Luft ziehen), man kann nicht beliebig oft den Zweig in den Stacheligel stecken und wieder herausziehen, sondern muss sich vorher im Klaren über die mögliche Anordnung sein, der gewünschte Winkel muss zu einem gewissen Maß auch bereits durch das Stecken erreicht werden, kleinere Korrekturen können auch noch vorgenommen werden, wenn der Zweig schon steckt.







Unsere Lehrerin Fukuchi-sensei begutachtete das Gesteck von jedem auf einem separaten Tisch und egal, was sie an Änderungen vornahm, beim einen mehr (Umstecken), beim anderen weniger (kleine Änderungen am Winkel oder der Ausrichtung. z.B. welches Blatt der Hortensienzweige in Richtung des Betrachters weist oder wie sich die Pflanzen untereinander "anschauen"), danach sahen die Gestecke immer besser aus. Wen wundert's.
Leider habe ich versäumt, vorher-nachher-Fotos zu machen, so dass ich den Unterschied nicht genau beschreiben kann. Die Stunde hat großen Spaß gemacht, wäre ich länger in Japan geblieben, hätte ich sicher noch weitere Versuche gestartet. 
Für mich würde es zwar zu weit gehen, jetzt nur noch Ikebana-artige Gestecke machen zu vollen, dafür mag ich meine Blumenvasen zu gern und arrangiere Blumensträuße einfach nach dem Motto "mir gefällt es so", aber hin und wieder möchte ich das schon nochmal ausprobieren. Dazu muss ich aber erst meinen Stacheligel wieder finden. Ich hatte mal einen, der dann aber irgendwo verschwunden ist, weil ich ihn nie benutzt habe, vielleicht im Keller.
Der Kollege, über den ich zur Ausstellung gelangt war, hat mir zum Abschied übrigens noch ein englischsprachiges Lehrbuch geschenkt. Wenn das nicht eine weitere Motivation ist. Vielleicht zu Ostern...


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