Oktober 02, 2015

Miyajima

Donnerstag ging es von Hiroshima aus nach Miyajima. Das klingt jetzt aufwendiger, als es tatsächlich ist, ich konnte gleich in die bereits erwähnte Strassenbahn einsteigen, bis zur Endhaltestelle fahren und von dort auf eine kleine Fähre umsteigen. An diesem Tag hatte ich auch Begleitung von einem Kollegen, der sich freundlicherweise angeboten hatte, diesen Ausflug mit mir zu unternehmen, weil er einen Teil der silbernen Woche mit seiner kleinen Tochter bei seinen Eltern in Hiroshima verbrachte, während seine Frau arbeiten mußte. So hatte ich zumindestens an diesem Tag ein wenig mehr Unterhaltung als an den vorangegangenen. Ich war ein bißchen enttäuscht, dass das Wetter sich tatsächlich als relativ schlecht bestätigt hatte, es regnete, die Wolken hingen tief, aber dabei war es wenigstens nicht kalt. Und im Endeffekt fand ich die Stimmung, um Fotos zu machen, fast interessanter, als einfach nur knallblauen Himmel zu haben.



Leider hingen die Wolken dann aber doch so tief, dass wir den ursprünglich auch geplanten Weg auf den Misenyama nicht antraten, aber ich greife vor. Der Kollege hatte sich für die Anfahrt mit der Straßenbahn entschieden, statt den Nahverkehrszug zu nehmen, zeitlich machte das keinen großen Unterschied, denn um mit der JR Line zu fahren, hätten wir erst einmal zum Bahnhof zurück gemusst. Und außerdem meinte er, von der Strassenbahn aus gäbe es mehr zu sehen und vermutlich hatte er damit recht. Besonders das letzte Stück, wenn die Bahn schon in Sichtweite des Binnenmeeres fährt, war ein schöner Teil und auch, durch die Vororte von Hiroshima zu zuckeln war nett, denn so konnte ich auch hier noch ein paar „japanischere“ Bauten sehen, als im Zentrum von Hiroshima, das ja mehr oder weniger komplett „neu“ ist aufgrund der Verheerungen der Atombombenexplosion. Von der Straßenbahn aus ging es dann auf eine kleine Fähre und hinüber nach Miyajima.



Der Weg vom Fähranleger zum Itsukushima Schrein führte natürlich durch die Haupteinkaufsstrasse, wo sich ein Geschäft neben das andere reiht, unterbrochen von vielen Restaurants und noch mehr Bäckereien, die momiji manju herstellten. Im automatischen Hochdurchsatzbetrieb konnte man hinter vielen Fenstern die Maschinen laufen sehen. In den Geschäften waren hunderte Kartons aufgestapelt, alle natürlich wieder sehr schön verpackt, aber ich fragte mich doch, ob der Durchsatz tatsächlich so unglaublich groß ist, denn lange haltbar ist dieses Gebäck nicht. Wer das alles kauft und isst? Gerade hier in Hiroshima scheint das Backwerk aber besonders beliebt zu sein und ich habe gelernt, dass dieses auch tatsächlich das „Original“ ist, das nur inzwischen überall in Japan kopiert und in anderer Form hergestellt wird, aber ursprünglich kommt es wohl von dieser Insel. So habe ich es jedenfalls verstanden. Die Ahornblattform ist auch wirklich hübsch. Natürlich gab es auch wieder andere Füllungen als Anko, aber nachdem ich hier das erste mal einen richtigen Matcha trinken sollte (der war übrigens unter dem neonhellgrünen Schaum richtig dunkelgrün und schmeckte garnicht so extrem nach diesem etwas grasigen Aroma, das ich immer erwarte), dachte ich, dazu müsse ich auch die tatsächlich traditionellste aller Füllungen verzehren. Für diejenigen, die garnicht genug von dieser Süßigkeit bekommen können, gibt es auch noch eine verschärfte Version, nämlich deep fried. Aber eigentlich gab es die Teepause erst nach der Besichtigung und nach einem kleinen Mittagessen.







Am Schrein kamen wir gerade zur günstigen Zeit der Ebbe an. Das war für den Schrein selbst schade, denn dieser ist ja auf Stegen ins Wasser gebaut und bei Ebbe sieht er halt nicht so schwebend aus. Aber dafür konnte man zum Torii gehen. Das ist schon wirklich groß und auch der Algensalat drum herum hatte teilweise bewunderswerte Ausmaße. Das Torii selbst ist nicht sicher vor Geldmünzen, die hier ebenfalls wie an so vielen Orten hinterlassen werden, in Schlitze im Holz gesteckt oder zwischen die kleinen Krebse gequetscht, die sich an den Füßen angesetzt haben. Der Hintergrund des Torii ist von der Insel aus nicht wirklich malerisch und ich musste an die ganzen Diskussionen mit der unesco denken bezüglich Aberkennung des Status Weltkulturerbe für den Kölner Dom, wenn die Kölner auf der anderen Rheinseite wie geplant ihre Hochhäuser gebaut hätten. Das wäre hier auch fällig gewesen, aber ich vermute, die Klötze auf der anderen Seite stehen schon länger. Später am Mittag, als die Flut zurück kam, sind wir noch einmal näher zum Tor hin spaziert, weil ich es natürlich auch noch im Wasser stehen sehen wollte.











Abgesehen von diesem Schrein gibt es natürlich auch noch zahlreiche andere Tempel und Schreine auf Miyajima, zum Daishoin Tempel gingen wir noch hin (auch dieser buddhistische Tempel liegt natürlich mal wieder auf einem Berg, schon interessant, man muss immer irgendwo hinauf) und warfen einen Blick in den Hokoku Schrein, ein beeindruckender „Raum“.







Sehr beliebt ist auch das Damwild, welches überall im Ort herum spaziert. Vor den so treuherzig dreinblickenden Tieren heißt es aber tatsächlich, sich in Acht zu nehmen. Scheu kennen die natürlich nicht, eher im Gegenteil können sie ziemlich aufdringlich werden. Bereits auf dem Übersichtsplan ist aufgeführt, dass man sich in Acht nehmen und auf seine Eintrittkarten, Zettel und sonstigen Habseligkeiten achten soll, denn die Tiere fräßen auch Papier, Karten und Kleidung! Ein paar Szenen gab es jedenfalls zu beobachten, abgesehen von der Truppe, die sich zum Gruppenfoto mit (friedlichen und braven) Rehen versammelte, gab es auch eines, welches sich an der Jacke eines Mannes fest gebissen hatte, und diesem ewig nachging. Das war aber auch noch harmlos in Gegensatz zu dem Bock, der einen Mann verfolgte und immer wieder mit seinem Kopf boxte, weil der (dummerweise eigentlich) etwas aß, aber die Frechheit besaß, dem Bock nichts abgeben zu wollen. Der wurde dann aber richtig unangenehm und immer aggressiver. Ihn störte auch nicht, dass die Frau seines Opfer mit ihrem Beutel und Schirm immer wieder auf ihn eindrosch, das schien ihn nur noch mehr anzuspornen. Der Mann sprang schließlich schon ein paar Stufen an einer Statue hinauf, viel hätte auch nicht mehr gefehlt und er wäre gestürzt. Wirklich nicht angenehm. Der Bock ließ dann erst ab, als ein Mann, der da wohl auch eine Art Wärter ist, ihm in die Kniekehlen trat, nicht heftig, aber doch so, dass seine Beine immer wieder einknickten. Da gab er dann seine Belagerung auf. An meinem Rucksack hatte sich auch einer versucht, als ich ihm den aus dem Mund gezogen hatte, versuchte er es kurzerhand mit meinem Oberteil. Und nochmal und nochmal. Aber dann verlor er das Interesse, gottseidank. Naja, wirklich hübsch, diese Rehe, so malerisch mit ihren kleinen weißen Punkten und das Kitz war natürlich besonders goldig. Auch dasjenige, welches sich einfach neben einen, ebenfalls liegenden, Mann gelegt hatte, das verhielt sich aber wenigstens friedlich. Reiher gab es außerdem auch überaus zahlreich, die durch die Gewässer und Algen staksten.













Nach der Teepause und nachdem sich das Wetter nicht gebessert hatte, beschlossen wir dann, Mount Misen und seine Affen tatsächlich hinter uns zu lassen und die zahlreichen anderen Sehenswürdigkeiten der Insel ebenso, und statt dessen in die Stadt zurück zu fahren, um gemeinsam Okonomiyaki essen zu gehen. Das berühmte echte und laut meinen Kollegen einzig wahre Okonomiyaki, das ebenfalls aus Hiroshima kommt, und nirgends so gut schmeckt wie dort. In Tokyo bekommt man es natürlich auch, aber die Zutaten sind eben überall ein wenig anders. Das „Restaurant“ an sich war dann auch schon eine Schau. Es gibt in Hiroshima das sogenannte Okonomimura, ein Gebäude, in dem sich ein Okonomiyakiladen neben den anderen reiht, das ganze über mehrere Etagen. Aufgrund der vorangegangenen Feiertage waren zwar die meisten geschlossen, aber wir bekamen dann doch noch etwas zu essen. Bei der Zubereitung zu zu sehen, war auch schon eine Schau, allein auch wegen der Köchin und ihrer Gespräche mit den Kunden, auch wenn ich nichts verstanden habe. Erst ein dünner Teig, darauf fein geschnittener Weißkohl und reichlich Sprossen, Gewürze, Schweinefleisch, ein Spiegelei, Nudeln (da kann man sich aussuchen, ob man Soba, Udon oder sonstige haben möchte), obendrüber die spezielle Sauce und Gewürz. Das ganze auf einer großen Metallplatte zubereitet, die vor allen Sitzplätzen entlang führt, und die dann auch dazu dient, die Speise warm zu halten. Sehr praktisch wirklich. Da störte es auch nicht weiter, dass ich neun Minuten lang mein Okonomiyaki liegen ließ, um ein Filmchen zu drehen (hier wieder nur drei Minuten). Ein schöner Tag.



Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen