Letzten
Samstag bin ich bei Dauernieselregen los gezogen, um Harajuku zu erkunden und
abends noch einen kurzen Abstecher nach Shibuya zu machen. Harajuku ist ja
bekannt als Viertel für die etwas ausgeflippte und modeverrückte Jugend, aber
ich muss sagen, so extrem ist mir das garnicht aufgefallen. Vielleicht lag es
auch am Wetter, dass nicht so viele Leute in ihrer speziellen Aufmachung
unterwegs waren oder stehend posierten (im Regen macht das einfach nicht so
viel Spaß), ein paar kamen schon vorbei, aber im Regenschirmmeer waren sie
schwer rechtzeitig auszumachen. Auch abends in Shibuya waren ein paar zu sehen,
aber bei dem Wetter und nach einem langen Tag hatte ich nicht mehr den Blick, alles
wahr zu nehmen. Aber ich bin zuversichtlich, dass mir in meiner Zeit hier noch
ein paar Besonderheiten begegnen werden.
Los ging es durch die Takeshita-dori, wo
sich einige Läden aneinander reihen, deren Angebot nicht ganz dem
standardisierten Kleidungsgeschmack entsprechen mag, aber ich hatte mir das ganze
in der Tat noch extremer vorgestellt. Einmal abgesehen von den vielen Leuten, die durchaus meinen Erwartungen entsprachen und es waren nicht nur Touristen. Es gab auch einen Zuckerwatteladen, der sich großer Beliebtheit erfreute
(riesige, bunte Torten – ich bin inzwischen teilweise dazu übergegangen, die
Leute zu fragen, ob ich ein Foto machen darf, wenn offensichtlich ist, dass ich
in deren Richtung fotographiere), sonstige Süßwarenstände mit Crepes in aller
Art und einen Eisladen, der hatte ein Softeis, meine Güte. Das schmeckte wie
Kondensmilch pur, hört sich jetzt irgendwie ein wenig grauslig an, aber ich
fand‘s göttlich, auch die sehr feste Konsistenz und dann im Kombination mit
Krokantstreuseln – lecker). Der heißt Zakuzaku und es hätte auch noch
ein Gebäck gegeben, gefüllt mit einer Creme (wahrscheinlich Vanillecustard oder
ähnliches), das sich großer Beliebtheit erfreute. Die Schlange vor dem Laden
war jedenfalls weit und breit eine der längsten, deshalb hatte ich mich auch
einfach einmal eingereiht. Es hat sich gelohnt, wenn ich auch kein Foto meiner
Eiswaffel gemacht habe, so wie alle anderen, die um mich herum standen.
Raus
aus dieser Strasse führte mich mein Weg beim Gebäude des „Design festa“ vorbei,
das an sich ist interessant, nicht groß, aber alternative Kunstszene par
excellence (wie man sie sich so vorstellt, allerdings doch auch schon wieder
gemäßigt, Graffiti Bilder an den Wänden, verschraubte Rohre als Dekoration vor
dem äußeren Zugang…) und ebenfalls interessant zu sehen, was die Leute dort
alles ausstellen. Ich bin mir nicht sicher, was hier als Definition eines
„Künstlers“ zum Tragen kommt, teilweise wirkten die Sachen wie hobbymäßig
hergestellt, einfach weil es Spaß macht. In einem Raum saßen zwei Mädchen
umgeben von, wahrscheinlich selbstgenähten, Rüschenkleidern, die aussahen, als
würde sie noch zur Schule gehen (die Mädchen, nicht die Kleider). Es gab
Zeichnungen (mangastyle), auch nicht viel „erwachsener“, Fotos von einem
Lebensmittelhersteller, der „organic“ arbeitet (was daran „Kunst“ ist), eine
Fotoausstellung einer Gruppe. Was für eine Mischung. Die Design Festa an sich
ist ist ein riesiges Kunstevent. Vielleicht bekomme ich davon im Herbst dann
auch noch etwas mit.
Eigentlich
war ich noch auf der Suche nach der Killer-dori, ich bin mir nicht sicher, ob
ich sie gefunden habe, ich glaube nicht. Oje, das übliche Thema. Aber dafür
habe ich die normalen Pfade verlassen und war teilweise in reinen Wohngebieten
unterwegs, bis ich dann wieder zurück in Richtung der großen Hauptstrassen
inklusive der Omotesando gefunden hatte.
Es gab
einen streetfood Markt (hüben wie drüben die gleichen Trends einmal abgesehen von den hawaianischen Speisen), ich kam an einem
großen „organic“ Markt vorbei, der auf dem Vorplatz der United Nations University
gegenüber des Campus der Aoyama Gakuin Universität aufgebaut war (inklusive
einem kleinen Antikmarkt) und auf der Brücke zwischen den beiden Universitäten
an den Iris auf dem Boden.
Das
Gebiet seitlich bzw zwischen Aoyama dori und Omotesando, die wie so viele der großen
Einkaufsstrassen hier die xte Ladenausgabe aller bekannten Designermarken
beheimatet (die Gebäude sind da meines Erachtens noch der spektakulärste Grund
einmal dort entlang zu schlendern, genauso wie in Ginza), hat mir dabei aber
ganz gut gefallen. Es scheint eine nette Mischung zu sein aus mehr oder weniger
reinen Wohngebieten mit relativ flacher Bebauung, aber auch einzelnen kleinen
Läden, Geschäften, Friseuren, convenience stores und was man so benötigt.
Zwischen den Hausdächern lugte dann auf einmal ein gothisch anmutender
Kirchturm hervor. Huch dachte ich, da muss ich mal suchen gehen, und um ein
paar Ecken gebogen stand ich vor einem neogothischen, kitschigen Etwas, in dem
scheinbar gerade eine Hochzeit statt gefunden hatte. Die Bebauung rund um schien ebenfalls noch dazu zu gehören,
mit kleineren oder vielleicht auch größeren Veranstaltungsräumlichkeiten, in
denen sich gerade eine Gesellschaft aufhielt. An einer ähnlichen Kapelle ganz
in der Nähe war ich bereits früher am Tag vorbei gekommen. Jaja, die
Vorstellung der Romantik.
Die
fand ein jähes Ende am Schluß der Omotesando, wo diese über die Eisenbahnbrücke
in den Yoyogi Park führt, dort war nämlich (schon wieder) eine Bühne
aufgestellt, auf der, teilweise etwas martialischer, große Tanzgruppen ihre
Darbietungen präsentierten, in „japanisch“ anmutenden Gewändern, mit
Fahnenschwingern und lauter Musik.
Dort
hielt ich mich nicht mehr lange auf, sondern lief weiter Richtung Shibuya Station, vorbei
an Klein-Neuschwanstein, hinein ins Gewimmel, wo ich ja bereits vor ein paar
Jahren einmal abends war. Nun also auch wieder abends. Lichtermeer, viele
Leute, farbiges Geblinke, Lärm und Shibuya Crossing. War ich froh, als ich in
meinem (relativ) stillen Kämmerlein später die Füße hoch legen und die Äuglein
schließen konnte.
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen