August 28, 2015

Tokyotrödel

Ich konnte mein Glück ja kaum fassen, als ich in zahlreichen Führern die Bestätigung fand, dass es auch in Japan und Tokyo so etwas wie Flohmärkte gibt. Juchhu, wie interessant, einmal schauen zu gehen, was in anderen Kulturbereichen so angeboten und weiter verkauft wird.
In Tokyo gibt es mehrere Antik- und Trödelmärkte, einer davon findet (fast) jeden ersten Sonntag im Monat beim Tokyo International Forum, also „mitten“ in der Stadt,  in der Nähe der Tokyo Station statt. Und so machte ich mich gleich am ersten Augustsonntag dorthin auf den Weg. Die Verkaufsstände sind draußen zwischen den Gebäuden des Komplexes zu finden und wie ich feststellen mußte, wäre es schon allein aus klimatischer Sicht angenehmer gewesen, dort erst gegen Nachmittag, anstatt vormittags vorbei zu schauen, denn die Sonne strahlte vormittags genau hinein in das Gelände, während es später bereits etwas schattiger war. Und es war so unglaublich heiß, dieses Gefühl, wenn einem das Wasser hinten am Rücken in Sturzbächen hinunter läuft, werde ich nie lieb gewinnen. Aber es geht wenigstens allen gleich, auch die Japaner sind dagegen nicht gefeit und haben immer Handtücher, Waschlappen oder ähnliches und Fächer dabei, mit denen sie sich den Schweiß von der Stirn und sonstwo weg wischen oder Luft zu fächeln. Das finde ich ja schon mal beruhigend, irgendwie hatte ich vorher gedacht, sie müßten so an das gewohnte Klima angepasst sein, dass ihnen die feuchte Hitze garnichts ausmachen würde, aber alle beteuern immer, wie furchtbar sie den Sommer in Tokyo finden und wie sehr sie sich auf den Herbst freuen. Na dann!


Ich war sehr gespannt, was die Produktpalette betreffen und auch, ob die Art der Präsentation eine andere sein würde im Gegensatz zu Europa. Und ich muss sagen, es war von beidem ein bißchen. Teilweise wahnsinnig vollgestellt, chaotisch, alles übereinander gehäuft, wilde Mischungen von Gegenständen, aber auch ganz geordnete und übersichtliche Stände, schön präsentiert, manchmal einfach nur auf auf dem Boden liegenden Tüchern ausgebreitet, teilweise nur wenige ausgewählte Stücke.
Natürlich gab es Haushaltswaren und Geschirr aller Art, Dekorations- und Sammlerobjekte. Mehrere Stände verkauften blau-weißes asiatisches Porzellan, keine Ahnung, welcher Stile und Epochen, ob ausschließlich japanisch oder nicht, teilweise exorbitant teuer (die ein, zwei Tellerchen, die ich mir (wie immer scheinbar sehr zielsicher ins Auge gefasst) herausgegriffen hatte, weil sie mir spontan am besten gefielen und nur um mal zu schauen, kaufen wollte ich garnichts), sollten beide um die 60000 Yen kosten. Ganz schön happig für einen Durchmesser von vielleicht zwölf Zentimetern. Es gab aber auch einige Stände, die französische Keramik anboten. Diese scheint hier recht populär zu sein.







Es gab Verkäufer mit Spielwaren und Figürchen, ein kleines Eldorado für alle, die Kokeshis suchen. Ich habe mir für ein paar wenige Euro ein kleines Pärchen mit genommen, das sichtlich schon einmal geklebt war und auf dem Heimweg ein Figürchen gleich erneut einen Kopf kürzer gemacht, aber das läßt sich ja wieder richten. Im Gegensatz zu den neuen Kokeshis, von denen ich bereits bei früheren Aufenthalten die ein oder andere mitgebracht hatte, waren diese hier meist kleiner, nicht so knallig glänzend bemalt und einfach ganz charmant teilweise schon etwas abgegriffen. Ich hatte mir eine lange (ca 10 Zentimeter) dünne ausgesucht, die mir aufgrund ihrer Bemalung mit einem grünen Mantel und Kirschblüten (hört hört!) und dem etwas andersartigen Kopf gut gefiel und der Verkäufer meinte dann, es müsse noch eine zweite da sein. Die fand er dann auch noch anderer Stelle im Regal und ich bekam beide für den Preis von weniger als der Auszeichnung auf einer. Über das paarweise Auftreten hatte ich mir im Vorfeld keine Gedanken gemacht, denn die neuen stehen ja doch immer alleine da, aber in der Tat waren die meisten in seinen Regalen und Kisten erkennbar immer zu zweit. Da war sicher noch mehr hübsches dabei, vielleicht schaue ich nochmal vorbei, es war einfach zu heiß, um sich an dem Stand lange aufzuhalten und ich wollte nur raus aus der Sonne.






Die Stände, die gebrauchte Kimonos, Yukata und Obi verkauften, standen glücklicherweise größtenteils im Schatten. Oh, was waren da schöne Stücke dabei und teilweise auch nicht so teuer wie gedacht. Falls man auf der Suche wäre nach einem alten Dekorationsobjekt, könnte man hier auf jeden Fall fündig werden. Was für eine Pracht, ich wüßte garnicht, was ich da nehmen soll. Es gab auch zahlreiche Wühlkisten mit Stoffresten für um die 200 Yen, für die wohl alte Kimonos (vermutlich wenn sie zu stark beschädigt oder fadenscheinig sind) auseinander schnitten wurden. An den seidigen Stoffstücken konnte ich dann nicht vorbei gehen, ein paar mußte ich mitnehmen und bekam auch noch einen zusätzlich geschenkt. Mir schwebt auch schon vor, was ich eventuell daraus herstellen kann, wenn ich wieder zuhause bin. Ich habe die Kollegen gefragt, was denn die Japaner damit machen, scheinbar kleine Deckchen, Untersetzer und ähnliches. Einfach wieder mal wunderbare Stoffe. 










Inzwischen habe ich in einem der department stores in Ikebukuro gesehen, dass diese Stoffreste teilweise zu quiltartigen Decken und Wandbehängen weiter verarbeitet oder Objekte damit gestaltet zu werden scheinen. In eben jenem department store, bei Seibu, gibt es eine Fläche in einem der Stockwerke, die scheinbar immer wechselnden Ständen und Ausstellern zur Verfügung gestellt wird. Wie gesagt, einmal lauter Stände mit Nähsachen und Stoffresten, ein anderes Mal, als ich dort durch lief, Trödler und Antiquitäten. Im Nachhinein habe ich dann in den Untergrundpassagen auch wahrgenommen, dass für diese Ausstellungen Werbung gemacht wird. Womit wir wieder beim Thema sind „wer lesen kann ist klar im Vorteil“. Erkennen konnte ich das im konkreten Fall nur daran, dass auf dem Plakat ein Stück abgebildet war, was ich oben im Kaufhaus an der Wand hatte hängen sehen, nämlich eine große gesteppte Decke mit der Abbildung eines aufgefalteten Kimonos, der allerdings wiederum selbst aus lauter unterschiedlichen Stoffresten zusammengenäht worden war.
Doch zurück zum Trödelmarkt bzw. ins Forum. Dort ging ich zwischendurch kurz hinein, um ein wenig abzukühlen. Auch hier wieder, ähnlich wie im National Art Center, Glas, Stahl, Beton und etwas Holz, wenn auch nicht ganz so spektakulär, aber doch auch sehr hoch, groß und lichtdurchflutet. Es wurden gerade irgendwelche Modefotos produziert, jedenfalls waren im obersten Stockwerk ganze Horden Kameraleute, Models und Kleiderträger unterwegs. Hell und licht ist es dort drin jedenfalls, wenn ich auch den Eindruck hatte, die Sonnensegel haben schon bessere Zeiten gesehen. Aber Hauptsache, die sind überhaupt vorhanden. Von oben hat man auch einen guten Blick Richtung Tokyo Station, die eine richtige Schneise ins Viertel schlägt, was man gerade von der erhöhten Position gut erkennen kann.




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